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Rechtsverordnung
über das Rahmenschutzkonzept der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz

Vom 18. Februar 2022

(KABl. Nr. 98 S. 114)

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Aufgrund von § 6 Absatz 3 des Kirchengesetzes zum Schutz vor sexualisierter Gewalt hat die Kirchenleitung folgende Rechtsverordnung beschlossen:
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§ 1
Zweck und Geltungsbereich

( 1 ) Diese Rechtsverordnung regelt das Rahmenschutzkonzept der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz.
( 2 ) Die Leitungen der kirchlichen Stellen im Bereich der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz sollen sich bei der Implementierung und Weiterentwicklung ihrer Schutzkonzepte insbesondere an diesem Rahmenschutzkonzept und seinen fachlichen Standards orientieren.
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§ 2
Allgemeines

( 1 ) Auf der Grundlage dieser Rechtsverordnung soll jede kirchliche Stelle eine Potential- und Risikoanalyse durchführen und ein Schutzkonzept entwickeln.
( 2 ) Die Vorschriften des staatlichen Rechts bleiben unberührt.
( 3 ) Die jeweils aktuellen landeskirchlichen Empfehlungen und Richtlinien sowie die landeskirchlichen Arbeitshilfen des Amtes für kirchliche Dienste, welche auf den Internetseiten des Amtes für Kirchliche Dienste veröffentlicht werden, sind entsprechend zu berücksichtigen.
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§ 3
Potential- und Risikoanalyse

( 1 ) Grundlage für die Erarbeitung eines Schutzkonzepts ist eine Potential- und Risikoanalyse.
( 2 ) Vor der Durchführung einer Risikoanalyse wird geprüft, ob in der kirchlichen Stelle bereits Strukturen, Maßnahmen oder Konzepte zum Schutz vor sexualisierter Gewalt vorhanden sind (Potentialanalyse). Diese werden bei der Entwicklung des Schutzkonzepts einbezogen, ebenso auch Konzepte und Strukturen zur Prävention gegen andere Formen von Gewalt.
( 3 ) In der Risikoanalyse prüfen die kirchlichen Stellen ihre Strukturen, Arbeitsfelder und Arbeitsabläufe, ob und inwieweit Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie diejenigen, die kirchliche Angebote wahrnehmen, möglichen Gefährdungen für sexualisierte Gewalt ausgesetzt sein können und ob im Fall der Vermutung des Vorliegens von sexualisierter Gewalt Beschwerdestrukturen vorhanden sind.
( 4 ) Zu prüfen sind insbesondere:
  1. die Einhaltung professioneller Arbeitsstandards,
  2. die Angebote und die verschiedenen Gruppen,
  3. das Bestehen von Gefährdungspotentialen und eines besonderen Schutzbedarfs für bestimmte Gruppen,
  4. die Räumlichkeiten des kirchlichen Trägers, deren Besonderheiten, Nutzung und Zutrittsmöglichkeiten,
  5. Leitungsstruktur und Partizipationsmöglichkeiten sowie die Kommunikation unter den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern,
  6. das Vorhandensein von Beschwerdestrukturen und Handlungsplänen zur Intervention.
( 5 ) An der Risikoanalyse sind neben der Leitung der kirchlichen Stelle je nach Arbeitsschwerpunkt ehrenamtliche und berufliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie diejenigen, die kirchliche Angebote wahrnehmen, einzubeziehen. Kinder, Jugendliche sowie andere Schutzbefohlene sind in angemessener Weise zu beteiligen.
( 6 ) Nach der Analyse der möglichen Gefährdungen ist zu prüfen, ob strukturelle und konzeptionelle Verbesserungen zum Schutz vor sexualisierter Gewalt erforderlich sind.
( 7 ) Die Risikoanalyse ist in regelmäßigen Abständen, spätestens nach Ablauf von zwei Jahren und bei Veränderungen von Angeboten und Arbeitsfeldern der kirchlichen Stelle zu wiederholen.
( 8 ) Eine Risikoanalyse ist ebenfalls vor jeder Veranstaltung notwendig. Die Verantwortung hat in diesem Fall die Leitung des Arbeitsbereiches bzw. die Person, die die Verantwortung für die Veranstaltung innehat.
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§ 4
Schutzkonzept

( 1 ) Die Risikoanalyse bildet die Grundlage für die Erarbeitung eines Schutzkonzepts. Ein Schutzkonzept zur Prävention und Intervention ist ein Zusammenspiel aus Analyse, strukturellen Veränderungen, Vereinbarungen und Absprachen sowie der Haltung und Kultur einer Organisation. Das Schutzkonzept legt Mindeststandards für die kirchlichen Stellen fest, mit dem Ziel, eine Kultur der Achtsamkeit und Respekts in der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz herzustellen.
( 2 ) Das Schutzkonzept besteht aus Maßnahmen der Prävention und Intervention. Dazu gehören insbesondere:
  1. Leitbild
    Prävention gegen sexualisierte Gewalt ist im Leitbild bzw. im pädagogischen Konzept der kirchlichen Stelle verankert.
  2. Leitungs- und Personalverantwortung
    Die Leitung der kirchlichen Stelle ist verantwortlich für die Entwicklung, Umsetzung und die regelmäßige Evaluation des Schutzkonzeptes. Die Leitung der kirchlichen Stelle sorgt bei der Einstellung von beruflichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für die Berücksichtigung der Prävention zum Schutz vor sexualisierter Gewalt (Thematisierung im Bewerbungsgespräch, Erweitertes Polizeiliches Führungszeugnis, Verhaltenskodex u. a.). Gleiches gilt für die Beauftragung von ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Im Verlauf der Beschäftigung sorgt die Leitung für die regelmäßige Information und Schulung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Im Interventionsfall (sexualisierte Gewalt gegenüber eines/einer Schutzbefohlenen oder Mitarbeiterin/Mitarbeiters oder die Vermutung der sexualisierten Gewalt durch eine Mitarbeiterin oder einen Mitarbeiter) ist die Leitungsperson fallverantwortlich und sorgt für die fachgerechte Umsetzung des entsprechenden Handlungsplanes.
  3. Schulungen
    Regelmäßige Schulungen für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und alle Leitungspersonen werden, nach Tätigkeitsfeld abgestuft, verbindlich geregelt. Maßgelblich ist der Schulungsplan der Initiative der evangelischen Landeskirchen und der Diakonie gegen sexuelle Gewalt „hinschauen-helfen-handeln“.
  4. Verhaltenskodex
    Die Regeln des Verhaltenskodex sind für alle Arbeitsfelder verbindlich. Sie werden regelmäßig mit Blick auf die jeweiligen Vorhaben durchgesprochen und konkretisiert. Der Verhaltenskodex sowie Kontaktdaten von Ansprechpersonen werden allen sichtbar zugänglich gemacht. Regelmäßig werden Informationsveranstaltungen zur angestrebten Kultur der Achtsamkeit angeboten.
  5. Prävention
    Maßnahmen der Prävention werden für die Arbeitsbereiche verabredet. Sie dienen der Stärkung der Schutzbefohlenen (Empowerment) und der Verabredung von Standards für die pädagogische Arbeit. Landeskirchliche Empfehlungen sind grundsätzlich zu berücksichtigen.
  6. Partizipation
    Kinder, Jugendliche, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und andere Schutzbefohlene werden an allen sie betreffenden Entscheidungen beteiligt. Dies setzt das Recht auf Beteiligung um.
  7. Ansprechpersonen und Beschwerdewege
    Es gibt Personen innerhalb und außerhalb der kirchlichen Stelle, an die sich Menschen, die sexualisierte Gewalt vermuten oder selbst davon betroffen sind, wenden können. Beschwerdewege werden festgelegt und transparent kommuniziert.
  8. Interventionspläne
    Schriftlich fixierte Verfahren zum Vorgehen bei Vermutung einer Kindeswohlgefährdung oder von sexualisierter Gewalt sind unerlässlich. Die Interventionspläne sind gemäß der drei Dimensionen der Definition von sexualisierter Gewalt zu differenzieren (Grenzverletzung, sexueller Übergriff, strafrechtlich relevante Form von sexualisierter Gewalt). Bezüglich einer vermuteten Kindeswohlgefährdung müssen zusätzlich die Erfordernisse der §§ 8a und 8b SGB VIII berücksichtigt werden. Die Kooperation mit einer externen Fachkraft oder Beratungsstelle muss von jeder kirchlichen Stelle sicher gestellt werden.
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§ 5
Interventionspläne
(Kommunikations-, Handlungs- und Notfallpläne)

( 1 ) Die Interventionspläne enthalten Vorgaben zur Durchführung der Verfahren bei Hinweisen, Wahrnehmungen oder Meldungen zum Vorliegen einer Vermutung von Fällen sexualisierter Gewalt (Grenzverletzung, sexueller Übergriff, strafrechtlich relevante Form von sexualisierter Gewalt). Dazu gehören insbesondere Angaben:
  1. über Ansprechpersonen der kirchlichen Stelle und der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz sowie spezialisierter Fachberatungsstellen, an die sich Personen im Fall einer Vermutung des Vorliegens von sexualisierter Gewalt wenden können,
  2. über die Beachtung von Schutzinteressen der betroffenen Personen,
  3. über die Meldepflicht und die Zusammenarbeit mit dem oder der landeskirchlichen Beauftragten für den Umgang mit sexualisierter Gewalt,
  4. über die Einberufung von Krisenteams, deren Zusammensetzung und deren Aufgaben,
  5. über standardisierte Verfahren für die Klärung und Durchführung, Kommunikation und Dokumentation der Intervention/en.
( 2 ) Die Entscheidung über die Einbeziehung der Strafverfolgungsbehörden obliegt dem Krisenteam.
( 3 ) Die Leitung der kirchlichen Stelle trägt darüber hinaus die Verantwortung für
  1. Rehabilitation bei unbegründeten bzw. nicht belegtem Verdacht und
  2. die Nachsorge- und Aufarbeitung des Falles für die kirchliche Stelle.
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§ 6
Meldepflicht

Die Meldepflicht gegenüber dem oder der Landeskirchlichen Beauftragten für den Umgang mit sexualisierter Gewalt soll gemäß der drei Dimensionen der Definition von sexualisierter Gewalt erfolgen:
  1. Grenzverletzung: Wird eine Grenzverletzung vermutet, erfolgt die Meldung bei der kreiskirchlichen Ansprechperson.
  2. Sexuelle Übergriffe: Wird ein sexueller Übergriff vermutet, erfolgt die Meldung bei der kreiskirchlichen Ansprechperson.
  3. Strafrechtliche relevante Formen von sexualisierter Gewalt: Wird eine strafrechtliche relevante Form von sexualisierter Gewalt vermutet, erfolgt die Meldung in jedem Fall und sofort bei der Leitung der kirchlichen Stelle, sowie bei dem oder der Landeskirchlichen Beauftragten für den Umgang mit sexualisierter Gewalt.
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§ 7
Inkrafttreten

Diese Rechtsverordnung tritt am Tag nach der Verkündung im Kirchlichen Amtsblatt in Kraft.