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Rechtsverordnung über die Anlage des Kapitalvermögens der Evangelischen Kirche Berlin-
Brandenburg-schlesische Oberlausitz
(Vermögensanlageverordnung VermAnlVO)

Vom 11. Dezember 2020 (KABl. 2021 Nr. 1 S. 2), geändert durch Rechtsverordnung
vom 16. Dezember 2022

(KABl. 2023 Nr. 2 S. 2)

Die Kirchenleitung hat aufgrund von § 91 Nr. 7 des Kirchengesetzes über die Haushalts-, Kassen- und Vermögensverwaltung der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (HKVG) vom 17. April 2010 (KABl. S. 87), zuletzt geändert durch Kirchengesetz vom 26. Oktober 2019 (KABl. S. 214), die folgende Rechtsverordnung erlassen:
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§ 1
Geltungsbereich

( 1 ) Die nachfolgenden Vorschriften gelten für die Anlage des Kapitalvermögens der kirchlichen Körperschaften sowie ihrer Zusammenschlüsse, Anstalten und der unselbständigen Werke. Zum Kapitalvermögen im Sinne dieser Rechtsverordnung gehören Finanzanlagen, Beteiligungen mit dem Zweck der Vermögensanlage sowie liquide Mittel und sonstige Wertpapiere des Umlaufvermögens. Ausgenommen sind Beteiligungen aus kirchlichem Interesse.
( 2 ) Die nachfolgenden Vorschriften sind sowohl bei der Eigenanlage als auch bei Fremdverwaltungen (Vermögensverwaltungsmandate und Investmentfonds, z. B. Publikumsfonds, Exchange Traded Funds (ETF), Spezialfonds), anzuwenden. Bei Vermögensverwaltungsmandaten und Spezialfonds ist die Einhaltung der ethischen Ausschlusskriterien in § 3 vertraglich zu vereinbaren.
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§ 2
Allgemeine Grundsätze

( 1 ) Die Anlage des Kapitalvermögens darf dem kirchlichen Auftrag nicht widersprechen.
( 2 ) Das Kapitalvermögen ist mit Hilfe einer Finanz- und Liquiditätsplanung so anzulegen, dass die Liquidität für die laufenden Ausgaben jederzeit sichergestellt ist. Die rechtzeitige Verfügbarkeit der Rücklagen sowie Rückstellungen für ihren Verwendungszweck ist gemäß § 66 Absatz 8 HKVG sicherzustellen. Dies gilt insbesondere bei einer Anlage von Kapitalvermögen in illiquiden Assetklassen.
( 3 ) Es ist auf eine breite Streuung und Transparenz zu achten. Die Einhaltung der Regelungen dieser Verordnung muss dokumentiert, überprüfbar und für Dritte nachvollziehbar sein. Ein Risikoreporting ist unter Berücksichtigung der Höhe des Anlagevermögens und unter Nutzung geeigneter Risikokennzahlen wie zum Beispiel der Volatilität, dem maximalen Verlust in einem definierten Zeitraum oder dem Value at Risk aufzubauen, um wirtschaftliche Risiken rechtzeitig zu erkennen.
( 4 ) Die Grundsätze der Sicherheit, Liquidität, Rendite sowie die Zielfunktion Nachhaltigkeit sollen bei jeder Anlageentscheidung berücksichtigt werden. Dabei ist nach Möglichkeit nach Abzug der Kosten eine Rendite nachhaltig anzustreben, die die Inflationsrate übersteigt.
( 5 ) Das Vieraugenprinzip ist bei allen Entscheidungen und Verfügungen einzuhalten und zu dokumentieren.
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§ 3
Ethische Ausschlusskriterien

( 1 ) Ethische Ausschlusskriterien bestehen insbesondere für die Kapitalanlage
  1. bei Unternehmen, die
    aa)
    an der Entwicklung, Herstellung und Handel von geächteten Waffen und Atomwaffen maßgeblich beteiligt sind,
    bb)
    Atomenergie produzieren,
  2. bei Unternehmen, die aufgrund kontroverser Geschäftspraktiken
    aa)
    selbst oder deren Zulieferer systematisch Menschenrechte verletzen (im Sinne der UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte) oder
    bb)
    systematisch gegen globale Normen, die Prinzipien im Global Compact oder die OECD-Leitlinien für Multinationale Unternehmen verstoßen,
  3. bei Unternehmen, sofern der nachstehend genannte Geschäftsbereich einen Anteil von mehr als 5 % am Gesamt-Unternehmensumsatz hat, die
    aa)
    an der Entwicklung, Herstellung und Handel von Rüstungsgütern (im Sinne der Anlage zum Kriegswaffenkontrollgesetz) beteiligt sind,
    bb)
    Kohle fördern und/oder einen Anteil von mehr als 1 % an der globalen Kohleförderung haben
    cc)
    unkonventionelle Förderung von Öl und Gas betreiben,
    dd)
    embryonale Stammzellenforschung betreiben,
    ee)
    Spirituosen (Mindestalkoholgehalt 20 Volumenprozent) und Tabakwaren herstellen,
    ff)
    kontroverse Formen des Glücksspiels betreiben,
    gg)
    Produkte herstellen, die die Menschenwürde durch verunglimpfende und erniedrigende Darstellung von Personen verletzen,
    hh)
    gentechnisch verändertes Saatgut und Biozide erzeugen,
  4. durch Ausschluss von
    aa)
    Staaten, in denen die Todesstrafe praktiziert wird,
    bb)
    Staaten, die als besonders korrupt (im Sinne des Corruption Perceptions Index (CPI) von Transparency International) wahrgenommen werden (Rating < 40),
    cc)
    Staaten, die als „Nicht frei“ (im Sinne der Organisation „Freedom House“) klassifiziert sind,
    dd)
    Staaten, die das Übereinkommen von Paris vom 12. Dezember 20151# nicht ratifiziert haben und/oder ihre sich daraus ergebenden Verpflichtungen nicht einhalten,
    ee)
    Staaten, deren Friedensstatus nach dem Global Peace Index des Institute for Economics and Peace als sehr niedrig („very low“) eingestuft wird,
    ff)
    Staaten mit Mängeln in der Bekämpfung von
    • Geldwäsche,
    • Steuerhinterziehung,
    • Terrorismusfinanzierung oder
    • Finanzierung von Massenvernichtungswaffen.
( 2 ) Sollte während eines Investments einer der genannten Ausschlussgründe eintreten, so ist eine Anpassung des Investments unter Abwägung der wirtschaftlichen Folgen im Verhältnis zu den bestehenden Risiken oder zu dem Gewicht des Verstoßes vorzunehmen.
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§ 4
Verwirklichung weiterer Werte

( 1 ) Die Anlage des Kapitalvermögens soll unter Berücksichtigung der christlichen Werte auch sozialverträglich, ökologisch und generationengerecht erfolgen. Die Verwirklichung von Positivkriterien kann insbesondere durch den Best-in-class-Ansatz erfolgen.
( 2 ) Die Sozialverträglichkeit kann insbesondere dadurch gefördert werden, dass das Kapital in Unternehmen investiert wird, die Mitverantwortung für die Arbeitsbedingungen in Zuliefererbetrieben weltweit übernehmen, Antidiskriminierungsprogramme aufgelegt haben, die Weiterbildung von Mitarbeitenden fördern oder Richtlinien zum Mitarbeitendenversammlungsrecht, zur Arbeitszeitbelastung oder für einen Mindestlohn formuliert haben.
( 3 ) Eine ökologische Geldanlage kann insbesondere dadurch erfolgen, dass das Kapital in Unternehmen investiert wird, die sich für die Reduzierung des Rohstoff-, Wasser- und Energieverbrauchs oder der Schadstoffemissionen einsetzen, die eigene Umweltrichtlinien formuliert oder ein eigenes Umweltmanagement-System implementiert haben, die erneuerbare Energiequellen weiterentwickeln oder fördern.
( 4 ) Die Generationengerechtigkeit kann insbesondere dadurch gefördert werden, dass das Kapital in Unternehmen investiert wird, die eine verbesserte Vereinbarkeit von Familie und Beruf ermöglichen, die aktiv in allen Regionen Maßnahmen zur Entwicklung der Infrastruktur, den Bau von Schulen und Stromnetzen fördern, die Produkte mit einem nachhaltigen Lebenszyklus entwickeln oder produzieren, die die medizinische Versorgung innerhalb der Gesellschaft sicherstellen oder sich in der Forschung wenig beachteter Krankheiten engagieren oder die in ihrem Handeln Einflüsse auf den Klimawandel minimieren.
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§ 5
Fremdverwaltung

( 1 ) Soweit Kapitalvermögen fremdverwaltet wird, dürfen maximal 50 % des anzulegenden Volumens durch den gleichen Assetmanager betreut werden.
( 2 ) Investmentfonds müssen den Vorgaben des Kapitalanlagegesetzbuches oder einem vergleichbaren ausländischen Recht zum Anlegerschutz unterliegen.
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§ 6
Portfoliostruktur

( 1 ) Für die Portfoliostruktur gelten die folgenden Grundsätze:
Anlageklasse
Minimum
Maximum
Geldmarktanlagen
0 %
60 %
Rentenanlagen inkl. Schuldscheindarlehen in Deutschland ansässiger Kreditinstitute
0 %
100 %
Börsengehandelte Aktien/Zertifikate auf Aktienindizes
(nur in Fremdverwaltung zulässig)
0 %
40 %
Alternative Kapitalanlagen (nur in Fremdverwaltung zulässig)
0 %
20 %
Immobilien (Direktimmobilien in Deutschland oder Darlehen zum Erwerb von Direktimmobilien in Deutschland, davon maximal 50 % in einer Einzelimmobilie oder Immobilienfonds)
0 %
25 %
Rohstoffe (nur bei Fremdverwaltung zulässig)
0 %
5 %
Beteiligungen mit dem Zweck der langfristigen Vermögensanlange
0 %
5 %
( 2 ) Zu den Alternativen Kapitalanlagen in Absatz 1 gehören u. a. Anlagen in Private Equity und Private Debt. Die Basiswährung ist der Euro, der Fremdwährungsanteil kann insgesamt bis zu 20 % (nur bei Fremdverwaltungen zulässig) betragen. Bei den Emittenten ist auf eine breite Streuung zu achten. Investmentfonds, deren Geschäftsmodell erkennbar auf ethisch und/oder ökologisch besonders problematischen Geschäftspraktiken beruht, dürfen nicht erworben werden. Bei Objektankäufen (auch in Zielfonds) sind Nachhaltigkeitsaspekte (z. B. Gebäudezertifizierungen wie insbesondere nach DGNB, GRESB, LEED, BREEAM) in der Entscheidungsfindung zu berücksichtigen. Bei Anlagen in Investmentsfonds sind die Anteile den entsprechenden Assetklassen zuzurechnen. Sofern im Einzelfall eine Investition in einen Spezialfonds nicht möglich oder aus anderen Gründen (zum Beispiel zu geringes Volumen, kurzer Investitionshorizont, zu hohe Managementkosten) nicht geboten ist, kann eine Anlage in Publikumsfonds oder ETF erfolgen. Dabei auftretende Divergenzen zu den Vorgaben aus § 3 sind in geringem Umfang zulässig und bei der Anlageentscheidung in besonderer Weise zu berücksichtigen und zu dokumentieren. Vor einem Erwerb von Fondsanteilen soll daher eine Analyse vorgenommen werden, um die Fonds auszuwählen, deren Schwerpunkte dieser Rechtsverordnung am ehesten entsprechen. 10 Durch Wertsteigerungen verursachte Überschreitungen der in Absatz 1 genannten Prozentsätze sind zulässig. 11 Der Handel mit Agrarrohstoffen ist nicht zulässig.
( 3 ) Bei der Anlageklasse Beteiligungen mit dem Zweck der langfristigen Vermögensanlage kann der in Absatz 1 genannte Maximalwert im Einzelfall bis zur Höhe von maximal 15 % überschritten werden, sofern durch die Beteiligung überdurchschnittliche Erträge zu erwarten sind oder es sich um eine Beteiligung im Bereich der Erneuerbaren Energien handelt. Die Plausibilität der Ertragserwartung sowie die ihr zugrunde liegenden Annahmen sind vor Vollzug der Beteiligung durch ein Gutachten einer qualifizierten, unabhängigen und sachverständigen Person zu bestätigen. Als qualifizierte sachverständige Person im Sinne dieser Vorschrift gilt eine Person mit der Befugnis zu unbeschränkter Hilfeleistung in Steuersachen oder eine andere sachverständige Person, die über eine zur Begutachtung erforderliche fachspezifische Berufsausbildung und besondere Sachkunde sowie über eine mehrjährige Berufspraxis als fachspezifisch und sachverständig verfügt. Sind für Arten von Gutachten sachverständige Personen öffentlich bestellt, so sollen andere sachverständige Personen nur dann gewählt werden, wenn besondere Umstände dies erfordern. Die beabsichtigte Überschreitung der Prozentangabe nach Satz 1 ist dem Konsistorium unter Beifügung einer Kopie des Gutachtens unverzüglich mitzuteilen.
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§ 7
Risikomanagement

( 1 ) Der Einsatz von Derivaten ist nur in Fremdverwaltungen und nur zu Absicherungszwecken zulässig. In Rentenmandaten ist das Steuern von Zinsänderungsrisiken durch Derivate erlaubt.
( 2 ) Die Anlagemöglichkeiten in der Eigenanlage sind auf eine Ratingeinstufung von mindestens BBB+ (BBB+ von S&P entspricht Baa1 von Moody´s sowie BBB+ von Fitch) beschränkt. In Fremdverwaltungen ist die Anlage bis zu „Investment Grade“ möglich. Dies gilt jeweils für den Zeitpunkt des Erwerbs. Liegt ein Split-Rating vor, gilt das jeweils schlechtere Rating. Wenn das konkrete Wertpapier nicht durch ein Rating eingestuft wurde, kann das Rating gleichartiger Wertpapiere des gleichen Emittenten oder das Rating des Emittenten zugrunde gelegt werden. Bei Publikumsfonds gilt dessen Rating; darin enthaltene Einzeltitel können schlechter eingestuft sein.
( 3 ) Absatz 2 gilt nicht, wenn die Anlage in voller Höhe durch eine inländische Sicherungseinrichtung abgesichert ist.
( 4 ) Geschäfte mit derivaten Finanzinstrumenten, die lediglich den Aufbau reiner Handelspositionen (Arbitragegeschäfte) bezwecken oder bei denen entsprechende Wertpapierbestände nicht vorhanden sind (sogenannte Leergeschäfte), sind ebenso unzulässig wie kreditfinanzierte Wertpapiergeschäfte, Effektenkreditgeschäfte und Wertpapierpensionsgeschäfte.
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§ 8
Verwaltung

( 1 ) Für die von der Landeskirche individuell aufgelegten Investmentfonds werden Anlageausschüsse gebildet. Die Mitglieder werden vom Konsistorium auf Zeit berufen. Die anlegenden Körperschaften sind im Ausschuss angemessen zu beteiligen. Der Vorsitz wird durch die Wirtschafterin oder den Wirtschafter kraft Amtes festgelegt.
( 2 ) Absatz 1 gilt entsprechend für individuell aufgelegte Investmentfonds sonstiger kirchlicher Körperschaften, wobei an die Stelle des Konsistoriums das jeweils zuständige Leitungsorgan, bei Kirchenkreisverbänden der Verwaltungsrat, tritt.
( 3 ) Bei der Verwaltung des Kapitalvermögens ist sicherzustellen, dass das verantwortliche Organ des Anlegers regelmäßig z. B. über schriftliche Berichte über den Stand und die Entwicklung der Vermögensanlage informiert wird. Mindestens einmal jährlich oder wenn es der Kapitalmarkt notwendig erscheinen lässt, ist eine Anlageausschusssitzung durchzuführen.
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§ 9
Inkrafttreten

( 1 ) Diese Rechtsverordnung tritt am 1. Januar 2021 in Kraft.
( 2 ) Gleichzeitig tritt die Rechtsverordnung über die Anlage des Kapitalvermögens (Vermögensanlageverordnung) der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz vom 14. Oktober 2016 (KABl. S. 206) außer Kraft.
( 3 ) Bei Inkrafttreten der Rechtsverordnung bestehende abweichende Geldanlagen sowie Vermögenszuwächse durch Schenkungen und Erbschaften sind unter Berücksichtigung der Grundsätze im HKVG den Bestimmungen dieser Rechtsverordnung anzupassen, sobald dies ohne wirtschaftliche Einbußen, die außer Verhältnis zu den bestehenden Risiken oder zu dem Gewicht des Verstoßes gegen die Anlagegrundsätze nach dieser Rechtsverordnung stehen, möglich ist.

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1 ↑ Amtsblatt der Europäischen Union L 282 vom 19.10.2016 S. 4