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Geltungszeitraum von: 01.06.1997

Geltungszeitraum bis: 31.12.2015

Richtlinien für die Seelsorge in Justizvollzugsanstalten im Bereich der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg

Vom 30. Mai 1997

(KABl.-EKiBB S. 146)

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Präambel:

„Ich bin im Gefängnis gewesen, und ihr seid zu mir gekommen“ (Matthäus-Evangelium 25,36).
Der Dienst der Gefängnisseelsorge gründet sich auf den Auftrag, der der Kirche für ihr gesamtes Wirken aufgegeben ist:
Die Kirche schuldet die gute Botschaft vom Anbruch der Herrschaft Gottes in dieser Welt, von Gericht und Gnade, von der Versöhnung mit Gott und den Menschen, von der Vergebung der Sünden und der Erneuerung zur Liebe allen Menschen. Dieser Auftrag gilt auch den Menschen im Gefängnis. Er führt die Gefängnisseelsorge zur Einheit von Verkündung, seelsorgerlichem Gespräch und diakonischem Handeln.
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I.
Allgemeines zur Seelsorge in Justizvollzugsanstalten

1. Die Gefängnisseelsorge stellt den grundgesetzlichen Anspruch evangelischer Gemeindeglieder in den Justizvollzugsanstalten auf seelsorgerliche Betreuung sicher; darüber hinaus gilt ihr Angebot grundsätzlich auch allen anderen Inhaftierten. Ihr Auftrag schließt die Bereitschaft zur Seelsorge an den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Justizvollzugsanstalten ein.
2. Der Dienst in der Gefängnisseelsorge geschieht insbesondere durch:
  • die Verkündung des Wortes Gottes in Gottesdienst, Andacht, Taufe und Abendmahl sowie die Abnahme der Beichte,
  • Besuch der Menschen im Gefängnis,
  • Einzel- und Gruppengespräche,
  • Unterweisung (zum Beispiel Tauf- und Konfirmandenunterricht) sowie Gruppenarbeit und Kurse,
  • Hilfe zur Bewältigung des täglichen Lebens in Zusammenarbeit mit anderen Diensten, Einrichtungen und Menschen, die den Gefangenen zugewandt sind,
  • besondere seelsorgerliche Begleitung von Kranken in den Justizvollzugsanstalten,
  • Beteiligung bei Besuchen und Begleitung bei Ausführungen in seelsorgerlich begründeten Fällen,
  • Äußerung in Gnadensachen und bei der Vollzugsplangestaltung,
  • seelsorgerliche Beratung für Angehörige von Gefangenen,
  • Seelsorge an Justizbediensteten und Mitwirkung an deren Aus- und Weiterbildung,
  • Mitwirkung bei der Öffentlichkeitsarbeit zu Themen des Justizvollzuges und der Straffälligenhilfe in Gesellschaft und Kirche.
3. Seelsorge in Justizvollzugsanstalten bemüht sich um Zusammenarbeit mit den verschiedenen Bereichen und Dienststellen der Anstalt und hält Kontakt zum Kirchenkreis und zu den Kirchengemeinden. Sie sucht ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für den Dienst an Gefangenen und Entlassenen zu gewinnen.
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II.
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Seelsorge in den Justizvollzugsanstalten

1. Der Dienst der Seelsorge im Gefängnis wird wahrgenommen durch haupt-, neben- und ehrenamtliche kirchliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Diese sind Pfarrerinnen und Pfarrer, berufliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und ehrenamtliche Seelsorgehelferinnen und -helfer, die durch das Konsistorium beauftragt werden. Die nicht ordinierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden einer Pfarrerin oder einem Pfarrer zugeordnet.
2. Alle in der Seelsorge Tätigen sollen zur Dienstvorbereitung eine Orientierungsphase in Form einer Hospitation durchlaufen. Am Beginn der Tätigkeit steht eine Einführungsphase in einer Justizvollzugsanstalt. Nach Möglichkeit ist eine zusätzliche Seelsorgeausbildung zu absolvieren. Erwartet wird die Bereitschaft zur Supervision.
3. In jeder Justizvollzugsanstalt sollten Gefängnisseelsorgerinnen und -seelsorger in ausreichender Zahl tätig sein.
4. Die hauptamtlichen Gefängnisseelsorgerinnen und -seelsorger sind Inhaberinnen oder Inhaber landeskirchlicher Pfarrstellen oder landeskirchliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
5. In Justizvollzugsanstalten mit mehreren Seelsorgerinnen und Seelsorgern hat in der Regel eine Pfarrerin oder ein Pfarrer die Geschäftsführung inne. Dazu gehört insbesondere die Vertretung der Anliegen der Seelsorge gegenüber der Anstalt. Die Geschäftsführung wechselt in der Regel alle drei Jahre.
6. Die Dienstaufsicht liegt beim Konsistorium. Sie kann an die örtliche Superintendentin oder den örtlichen Superintendenten delegiert werden.
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III.
Der Konvent für Evangelische Gefängnisseelsorge in Berlin und Brandenburg

1. Die in der Gefängnisseelsorge tätigen haupt- und nebenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bilden den Konvent für Evangelische Gefängnisseelsorge in Berlin und Brandenburg. Beauftragte ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben das Recht zur Teilnahme am Konvent. Er tagt in der Regel viermal jährlich.
2. Aufgaben des Konventes sind insbesondere:
  • Planung und Gestaltung der Orientierungs- und Einführungsphase,
  • Erarbeitung von Vorschlägen zur Fort- und Weiterbildung und Vermittlung von Fortbildungsangeboten,
  • Reflexion des Auftrages der Gefängnisseelsorge und vollzugspolitischer Fragen,
  • Beratung der Landespfarrerin oder des Landespfarrers bei der Vertretung der Belange der Gefängnisseelsorge,
  • Förderung der Zusammenarbeit aller Beteiligten in der Gefängnisseelsorge.
3. Der Konvent wählt für die Dauer von drei Jahren eine Vorsitzende oder einen Vorsitzenden und eine stellvertretende Vorsitzende oder einen stellvertretenden Vorsitzenden, die gemeinsam mit der Landespfarrerin oder dem Landespfarrer den Konvent vorbereiten, einberufen und leiten. Die Vorsitzenden unterstützen die Landespfarrerin oder den Landespfarrer bei der Planung und Durchführung von Fortbildungsmaßnahmen.
4. Die Mitglieder des Beirates für die Evangelische Gefängnisseelsorge können beratend an den Sitzungen des Konventes teilnehmen.
5. Der Konvent ist Regionalkonferenz der Evangelischen Konferenz für Gefängnisseelsorge in Deutschland und entsendet ein Mitglied in deren Beirat.
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IV.
Landespfarramt für Seelsorge in Justizvollzugsanstalten

1. Die Kirchenleitung beruft eine Pfarrerin oder einen Pfarrer für die Dauer von längstens sechs Jahren als Landespfarrerin oder Landespfarrer für Seelsorge in Justizvollzugsanstalten für den Bereich der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg. Der Beirat für Evangelische Gefängnisseelsorge und der Konvent können Vorschläge machen. Wiederberufung ist zulässig.
2. Die Landespfarrerin oder der Landespfarrer für Seelsorge in Justizvollzugsanstalten ist Inhaberin oder Inhaber einer landeskirchlichen Pfarrstelle für Seelsorge in Justizvollzugsanstalten. Für angemessene Entlastung bei der Wahrnehmung des seelsorgerlichen Dienstes ist zu sorgen.
3. Die Landespfarrerin oder der Landespfarrer nimmt folgende Aufgaben wahr:
  • Fachaufsicht über die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Seelsorge in Justizvollzugsanstalten und in diesem Rahmen Mitwirkung bei Personalentscheidungen,
  • Planung und Gestaltung von Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen gemeinsam mit den Vorsitzenden des Konvents und Verantwortung für ein ausreichendes Angebot,
  • Vertretung der Seelsorge in Justizvollzugsanstalten,
    1. gegenüber den Anstalten, Kirchenkreisen und -gemeinden mit den jeweils dort in der Gefängnisseelsorge Tätigen,
    2. gegenüber dem Konsistorium,
    3. gegenüber der Öffentlichkeit in Abstimmung mit der oder dem Vorsitzenden des Beirates für Evangelische Gefängnisseelsorge und der Kirchenleitung,
  • Teilnahme am Gesamtephorenkonvent,
  • Vertretung der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg in den Fachgremien der Evangelischen Kirche in Deutschland in Absprache mit der zuständigen Referentin oder dem zuständigen Referenten im Konsistorium.
Die Landespfarrerin oder der Landespfarrer kann bestimmte Aufgaben an andere Mitglieder des Konventes, insbesondere an die Vorsitzende oder den Vorsitzenden, in Abstimmung mit der zuständigen Referentin oder dem zuständigen Referenten im Konsistorium übertragen.
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V.
Beirat für Evangelische Gefängnisseelsorge

1. Die Kirchenleitung beruft einen Beirat für Evangelische Gefängnisseelsorge für die Dauer von sechs Jahren, dem bis zu sechs Personen angehören sollen. Mindestens die Hälfte von ihnen soll nicht in einem kirchlichen Dienstverhältnis stehen. Nachberufungen werden nur für die verbleibende Amtszeit des Beirates ausgesprochen. Eine Wiederberufung ist zulässig. Der Konvent kann dazu Vorschläge machen. Die oder der Vorsitzende des Konvents, die Landespfarrerin oder der Landespfarrer nehmen an den Sitzungen mit beratender Stimme teil. Eine Vertreterin oder ein Vertreter des Konsistoriums wird zu den Sitzungen eingeladen.
2. Aufgaben des Beirates sind insbesondere:
  • Begleitung und Beratung der Seelsorge in Justizvollzugsanstalten,
  • die Vertretung der Belange der Seelsorge in Justizvollzugsanstalten gegenüber der Öffentlichkeit,
  • die Förderung der Einbindung der Seelsorge in Justizvollzugsanstalten in die Kirchengemeinden, Kirchenkreise und die Landeskirche,
  • die Förderung der neben- und ehrenamtlichen Mitarbeit in der Gefängnisseelsorge,
  • die Verantwortung für die Grundlinien der Arbeit der Seelsorge in Justizvollzugsanstalten,
  • die Mitwirkung bei der Erstellung und Änderung von Richtlinien und Ordnungen für die Seelsorge in Justizvollzugsanstalten durch Beratung und Vorschläge,
  • die Mitwirkung bei der Verteilung der Stellen für haupt- und nebenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Seelsorge in Justizvollzugsanstalten im Rahmen des landeskirchlichen Stellenplanes und der Vereinbarung mit den Ländern Berlin und Brandenburg,
  • die Erarbeitung von Personalvorschlägen für das Konsistorium und die Kirchenleitung zur Besetzung der Stellen in der Seelsorge in Justizvollzugsanstalten und der Berufung der Landespfarrerin oder des Landespfarrers,
  • die Begleitung der Arbeit des Konvents, insbesondere durch Entgegennahme und Beratung von Erfahrungsberichten aus den Justizvollzugsanstalten.
3. Der Beirat wählt für die Dauer seiner Amtszeit eine Vorsitzende oder einen Vorsitzenden sowie eine Stellvertreterin oder einen Stellvertreter. Die oder der Vorsitzende führt die Geschäfte des Beirates und beruft ihn ein. Sie oder er muss dies tun, wenn ein Drittel der Mitglieder oder die Kirchleitung dies unter Angabe von Gründen verlangt.
4. Der Beirat ist beschlussfähig, wenn mindestens die Hälfte seiner Mitglieder anwesend ist. Beschlüsse des Beirates werden nach Möglichkeit einvernehmlich gefasst. Kommt keine Übereinstimmung zustande, entscheidet die einfache Mehrheit der Stimmen. Stimm­enthaltungen werden nicht gezählt. Bei Stimmengleichheit kommt kein Beschluss zustande. Über die Beratungen wird ein Protokoll angefertigt, das von der oder dem Vorsitzenden zu unterzeichnen ist.
5. Der Beirat tagt in der Regel zweimal jährlich, davon einmal jährlich gemeinsam mit dem Konvent.
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VI.
Inkrafttreten

Diese Richtlinien treten am 1. Juni 1997 in Kraft.