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Vereinbarung zwischen dem Land Brandenburg und der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg über die Seelsorge in Justizvollzugsanstalten

Vom 2. November/2. Dezember 1993

(KABl.-EKiBB 1997 S. 71)

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Artikel 1

( 1 ) Die Seelsorge in den Justizvollzugsanstalten bildet einen Teil der den Kirchen obliegenden allgemeinen Seelsorge.
( 2 ) Die evangelische Seelsorge in den Justizvollzugsanstalten wird durch Pfarrer, Pfarrerinnen und andere kirchliche Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen – im Folgenden Gefängnisseelsorger genannt – im Haupt- oder Nebenamt wahrgenommen.
( 3 ) Die Freiheit der Verkündigung und das Beicht- und Seelsorgegeheimnis werden gewährleistet.
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Artikel 2

( 1 ) Die Gefängnisseelsorger stehen im Dienst der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg. Sie unterstehen der Dienst- und Disziplinaraufsicht der Kirche.
( 2 ) Sie sind verpflichtet, bei der Ausübung ihres Dienstes die sie betreffenden Bestimmungen über den Strafvollzug und die Untersuchungshaft zu beachten.
( 3 ) Die Gefängnisseelsorger arbeiten in ihrem Dienst mit den Vollzugsbediensteten eigenverantwortlich zusammen. Sie haben das Recht auf Teilnahme an den Dienstbesprechungen und Vollzugskonferenzen. Sie sind bei allen kirchliche Veranstaltungen berührenden Maßnahmen der Anstaltsleitung vorher zu hören.
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Artikel 3

( 1 ) Zu den Rechten der Gefängnisseelsorger gehören die Inanspruchnahme aller Einrichtungen und die Veranlassung organisatorischer Maßnahmen, die geeignet und erforderlich sind, ihre Aufgaben gemäß Artikel 4 zu erfüllen.
( 2 ) Sie haben Anspruch auf die Bereitstellung von Räumen, die für die Ausübung des Dienstes notwendig sind (gottesdienstlicher Raum und Dienstzimmer). Die Planung, Einrichtung und Gestaltung von Gottesdiensträumen in Justizvollzugsanstalten erfolgt durch das Land im Einvernehmen mit der Kirche.
( 3 ) Die Gefängnisseelsorger können im Einvernehmen mit dem Anstaltsleiter freiwillige Helfer, unterstützende Gruppen sowie andere Seelsorger und Seelsorgehelfer für den Dienst in der Einrichtung hinzuziehen.
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Artikel 4

Die Gefängnisseelsorger haben im Wesentlichen folgende Aufgaben:
  • Regelmäßige Abhaltung von Gottesdiensten,
  • Abnahme der Beichte und Spendung der Sakramente,
  • Durchführung von Amtshandlungen aus besonderem Anlass (zum Beispiel Trauungen),
  • Einzelseelsorge einschließlich der Zellenbesuche und der Aussprache mit einzelnen Gefangenen,
  • Angebote von Gruppenarbeit, Kursen und Unterweisungsstunden,
  • Durchführung von Besuchen und Begleitung bei Ausführung von Gefangenen in seelsorgerlich begründeten Fällen,
  • besondere Krankenseelsorge bei Krankheitsfällen innerhalb der Justizvollzugsanstalt,
  • Beratung und seelsorgerlicher Beistand auch für die Angehörigen der Gefangenen in Partnerschafts-, Ehe- und Familienangelegenheiten im Zusammenhang mit den sich aus der Inhaftierung ergebenden Problemen,
  • Mitwirkung bei der sozialen Hilfe für die Gefangenen und ihre Familien unter Beachtung der Primärzuständigkeit des Sozialdienstes,
  • Bereitschaft zur Seelsorge an Mitarbeitern des Strafvollzuges, unbeschadet der Zuständigkeit des Gemeindepfarrers,
  • Mitwirkung bei der Aus-, Fort- und Weiterbildung der Mitarbeiter im Strafvollzug,
  • Mitwirkung bei der Gewinnung und Betreuung ehrenamtlicher Helfer sowie von Kontaktgruppen im Vollzug,
  • Mitwirkung bei der Öffentlichkeitsarbeit in Gesellschaft und Kirche.
Die Aufgaben und Rechte der Gefängnisseelsorger aus dieser Vereinbarung erstrecken sich auch auf Inhaftierte, die keiner evangelischen Kirche angehören, jedoch seelsorgerliche Betreuung durch einen evangelischen Gefängnisseelsorger wünschen.
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Artikel 5

( 1 ) Die Gefängnisseelsorger werden von der Kirche im Einvernehmen mit dem Ministerium der Justiz des Landes berufen.
( 2 ) Liegen Tatsachen vor, aus denen sich gegen die Person oder die Tätigkeit eines Gefängnisseelsorgers oder einer Gefängnisseelsorgerin schwerwiegende Bedenken gegen den weiteren Dienst ergeben und können diese nicht einvernehmlich zwischen Land, Kirche und dem Gefängnisseelsorger/der Gefängnisseelsorgerin verändert werden, so kann das Land die Abberufung verlangen. Betroffene sind vor einer Entscheidung von der Kirche und vom Ministerium der Justiz zu hören.
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Artikel 6

( 1 ) Urlaubs- und Dienstbefreiung der Gefängnisseelsorger richten sich nach dem Pfarrerdienstgesetz beziehungsweise der kirchlichen Arbeitsvertragsordnung.
( 2 ) Die Gefängnisseelsorger sind verpflichtet, ihren Dienst betreffende Weiterbildungen wahrzunehmen. Sie haben das Recht, an kirchlichen Veranstaltungen, Kursen und Tagungen, die mit ihrem Dienst in Verbindung stehen, in angemessenem Umfang ohne Anrechnung auf ihren Erholungsurlaub teilzunehmen.
( 3 ) Die Vertretung bei Abwesenheit und die Urlaubsvertretung regeln die Gefängnisseelsorger nach Abstimmung mit der Kirche im Einvernehmen mit dem Anstaltsleiter. Die Krankheits- und Vakanzvertretung regelt die Kirche im Einvernehmen mit dem Anstaltsleiter.
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Artikel 7

( 1 ) Das Land erstattet der Kirche bei hauptamtlichen Gefängnisseelsorgern die vollen, bei nebenamtlichen Gefängnisseelsorgern die anteiligen Personalkosten und den Sachkostenaufwand in Form einer Pauschale, die kostendeckend sein soll.
( 2 ) Über die Zahl der einzurichtenden Stellen für Gefängnisseelsorger, den jeweiligen Beschäftigungsumfang und die Höhe der Pauschalerstattung wird eine gesonderte Vereinbarung geschlossen.
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Artikel 8

( 1 ) Die Kirche ist berechtigt, Visitationen bezüglich der Seelsorge in den Justizvollzugsanstalten durchzuführen.
( 2 ) Im Einverständnis mit dem Ministerium der Justiz beruft die Kirche mindestens einmal jährlich eine gemeinsame Konferenz der evangelischen Gefängnisseelsorger mit Vertretern der Kirche und des Ministeriums der Justiz über Fragen der Anstaltsseelsorge und des Justizvollzuges ein.
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Artikel 9

( 1 ) Zweifels- und Streitfragen sind zunächst zwischen dem Anstaltsleiter und den Gefängnisseelsorgern mit dem Ziel einer Klärung oder Einigung zu erörtern.
( 2 ) Die Gefängnisseelsorger haben das Recht der Beschwerde beim Ministerium der Justiz, wenn Schwierigkeiten in der Zusammenarbeit mit der Anstaltsleitung auftreten, die nicht anderweitig behoben werden können.
Das Ministerium der Justiz wird die Kirche über diese Beschwerde alsbald unterrichten, wenn es sich nicht in der Lage sieht, der Beschwerde abzuhelfen.
( 3 ) Das Ministerium der Justiz wird eine Beschwerde der Anstaltsleitung über die Tätigkeit eines Gefängnisseelsorgers alsbald an die Kirche weiterleiten, wenn es diese für begründet hält.
Die Kirche bemüht sich, Beschwerden im Gespräch mit den Gefängnisseelsorgern im Beisein eines Vertreters des Ministeriums der Justiz zu klären. Das Ergebnis wird in einem Protokoll festgehalten.
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Artikel 10

Die Vertragschließenden werden sich bemühen, eine etwa in Zukunft auftretende Meinungsverschiedenheit über die Auslegung einer Bestimmung dieser Vereinbarung einvernehmlich zu klären.
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Artikel 11

( 1 ) Diese Vereinbarung tritt am 22. Oktober 1993 in Kraft.
( 2 ) Die Vereinbarung gilt zunächst für die Dauer von fünf Jahren. Sie verlängert sich stillschweigend jeweils um weitere fünf Jahre, wenn sie nicht zwölf Monate vor Ablauf der Frist gekündigt wird.